Elektro, Wasserstoff, automatisiertes Fahren oder gar nicht fahren?

Eine kritische Auseinandersetzung mit der Zukunft der (nachhaltigen) Automobilindustrie.

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Exkursion im Rahmen des MBAs zur KTM Sportcar GmbH in Graz im Jahr 2016. c_ACE

Vor wenigen Tagen wurden die Verkaufszahlen der österreichischen Automobilhändler veröffentlicht. Die Zahlen sind nur wenig erfreulich. Expert_innen bezeichneten das Jahr 2020 bereits als miserabel, 2021 soll jedoch das schlechteste Autojahr seit 1984 gewesen sein. Immer weniger private Neuzulassungen, steuerliche Erhöhungen, Covid-19 aber auch immense Importprobleme von wichtigen Zulieferteilen aus Asien sowie wirtschaftliche Abhängigkeiten sind nur einige der Probleme mit denen die Branche zu kämpfen hat. Dabei wäre die Nachfrage oft von Kund_innenseite da. Geliefert wird aber oft zu spät oder gar nicht. 

Prof. Wilfried Sihn, Professor an der TU Wien und Geschäftsführer der Fraunhofer AG weiß in diesem Zusammenhang: „Die Ziele der Hersteller und die Wunschfahrzeuge der Kundinnen und Kunden überschneiden sich mittlerweile nur mehr in seltenen Fällen“. 

Zulieferer sind mittlerweile mehr an der Verbauung ihrer Teile in E-Autos oder in teure Automodelle interessiert, für die sich die Nachfrage in Grenzen hält. Wenn man sich die Verkaufszahlen genauer ansieht, wird dies nur bestätigt. Zwar stürzen sich Firmen auf E-Autos und alternative Kraftstoffe, nicht aber Privatpersonen. Daher ist ein allgemeiner Verkaufsrückgang merkbar.

Ing. Klaus Schmid, MBA, Vorstand von BieM, der Bundesinitiative eMobility Austria, und Vortragender an der TU Wien Academy for Continuing Education sagt hierzu: „Die Erkenntnisse in der fachlichen Literatur betonen, dass es nicht ausreicht, sich auf Umweltaspekte zu beziehen, obwohl sie von primärer Bedeutung sind, sondern auch soziale und wirtschaftliche Auswirkungen berücksichtigt werden müssen.“ Was bedeutet das?

Um hier die Umsätze zu steigern, müssen Fahrzeuge für Privatpersonen günstiger werden. Aber vielmehr, muss es auch für infrastrukturelle Fragen Antworten geben, etwa mehr Ladestationen. In der Gesamtüberlegung hinsichtlich Zukunft und Mobilität stehen aber natürlich nicht nur E-Autos in Diskussion. „Wir haben in den letzten Jahren verstärkt gelernt, vorhandene und neue Technologien einzusetzen. Diese werden mittlerweile nicht mehr nur in der Kommunikation, sondern auch in der Automobilindustrie eingesetzt“, sagt Prof. Sihn darüber. Weiters gibt es andere alternative und nachhaltig gehandelte Kraftstoffe, chemische wie Wasserstoff oder Kraftstoffe aus Biomasse. Was können diese und warum stehen die nicht regelmäßiger an erster Stelle, wenn es um das Thema Zukunftsentwicklungen geht? 

Prof. Sihn meint hierzu weiter: „Der Wandel, die Transformation in der Mobilität, und in der Automobilbranche im Speziellen, sind politisch motiviert. Es waren nicht die Automanager_innen, die von heute auf morgen meinten, sie müssten E-Mobilität an die erste Stelle setzen als die einzige Lösung unserer Probleme.“ Dies sei für ihn grundsätzlich ein guter Weg, aber man muss diese Umstellung ganzheitlich betrachten und nicht die Probleme, die mit der Produktion, Lieferung und Entsorgung einhergehen, vernachlässigen. „Für die nächsten Jahrzehnte werden unterschiedliche Systeme nebeneinander existieren, Wasserstoff wird dann vor allem für Lkws und Busse zum Einsatz kommen, aber auch Diesel und Benzin werden weiterhin Thema bleiben. Da führt noch kein Weg daran vorbei“, ergänzt Prof. Sihn. Die Aussichten für 2022 schätzen Expert_innen nicht besser ein als im letzten Jahr. Lieferschwierigkeiten gibt es nach wie vor und E-Mobilität und die Nutzung neuerer Technologien werden immer mehr zum Alltag. 

Herausforderungen sieht Klaus Schmid auch in anderen Bereichen: „Strategien zur Verfolgung des Ziels einer nachhaltigen Mobilität beschränken sich nicht auf die Herstellung oder Nutzung umweltfreundlicherer Verkehrssysteme, obwohl dies von grundlegender Bedeutung ist.“ Eine Transformation in der Branche heißt nicht nur, dass es zu technologischen Veränderungen kommt, sondern auch zu personellen Herausforderungen. Neue Kompetenzen sind bereits gefragt und diese Nachfrage wird auch weiter steigen. Was passiert aber dann mit der bestehenden Belegschaft, verlieren hier viele Arbeitnehmer_innen ihre Jobs? „Ganz im Gegenteil“, meint Prof. Sihn, „österreichische Unternehmen sind für die Transformation gut aufgestellt, es braucht aber Unterstützung. Durch die Elektromobilität gibt es zusätzliches Beschäftigungspotential, dieses bedarf aber zusätzlicher Aus- und Weiterbildung. Beim Fachkräftemangel sowie bei Managementpositionen besteht Handlungsbedarf.“ In der verstärkt eingesetzten Automatisierung sehen Expert_innen aber kein Hindernis, sondern sie kann Unternehmen sogar handlungsfähiger halten und somit Arbeitsplätze sichern. Es muss also der gesamte Mobilitätsprozess berücksichtigt werden, um in Zukunft bestehen zu können. Was will die nächste Generation hinsichtlich nachhaltiger Mobilität, wie wird sich das Nutzungsverhalten ändern? Wird es immer mehr Carsharing-Modelle geben? Was müssen Unternehmen jetzt oder am besten gestern schon tun, um bestehen zu können? Welche Technologien, welche Kompetenzen werden benötigt?

Der MBA Automotive Industry an der Academy for Continuing Education

Es wird neue Führungsstile brauchen, neue Unternehmenskulturen, eine neue Motivation. Klaus Schmid bestätigt dies aus der wissenschaftlichen Perspektive: „Aus wissenschaftlicher Sicht war und ist die internationale Literatur aus den unterschiedlichen fachspezifischen Perspektiven (technologisch, territorial, städtisch, sozial, wirtschaftlich, gesundheitlich, usw.) verstärkt an dem Thema interessiert. Mittlerweile können wir auch auf Erfahrungen von Use Cases aus der Industrie zurückgreifen, und lassen diese in unseren Lehrgang einfließen.“ 

„Kurz gesagt braucht es in Zukunft sicher mehr Wissen, und es werden auch neue Management-Methoden und -Kompetenzen gefragt sein“, so Prof. Sihn. Der MBA Automotive Industry der Academy for Continuing Education bietet tiefe Einblicke in die Strukturen und Prozesse sowie die aktuelle Lage in der Automobil- und Zulieferindustrie.
Er bereitet Teilnehmer_innen auf die Anforderungen der globalen Wirtschaft vor und legt den Schwerpunkt auf die Bereiche Produktion, Logistik und Industrie 4.0 in der Automobilindustrie. Ein besonderer Mehrwert sind dabei die Exkursionen in Betriebe der namhaften Automobil- bzw. der dazugehörigen Zulieferindustrie. Im Rahmen von Business-Talks und Experten-Gesprächen kommen Teilnehmer_innen regelmäßig in Kontakt zu Opinionleadern aus der Automobil- bzw. der dazugehörigen Zulieferindustrie.

Mehr Details zur Anmeldung und Informationen zu den kommenden Programmstarts unter: www.tuwien.at/ace/mba-programme/automotive-industry 


Über die TU Wien Academy for Continuing Education

Die TU Wien Academy for Continuing Education (ACE) ist seit 2005 der zentrale Ansprechpartner der TU Wien für die postgraduale Weiterbildung an der Schnittstelle von Technologie, Management und Leadership. In einer immer weiter technisierten Welt unterstützen wir Teilnehmer_innen (TU-Absolvent_innen, Techniker_innen sowie Führungskräfte) bei der Verwirklichung ihrer individuellen Ziele und der Gestaltung unserer Zukunft. Durch das Wissen unserer renommierten Vortragenden schlagen wir die Brücke zwischen Forschung und Wirtschaft und verbinden wissenschaftliches Know-how mit praktischer Anwendbarkeit. So veredeln wir die individuellen Fähigkeiten unser Teilnehmer_innen und vergrößern nachhaltig ihre beruflichen und privaten Perspektiven.
Das Angebot erstreckt sich derzeit über 14 Masterprogramme, 3 Universitätslehrgänge sowie verschiedene Kompakt-Programme, die gefragte Trends (z. B. Digitalisierung, Nachhaltigkeit) aufgreifen und sich zeitlich an den Bedürfnissen der Teilnehmer_innen orientieren. Akkreditierungen durch anerkannte, internationale Institutionen zeichnen die hohe Qualität der postgradualen Weiterbildung an der TU Wien aus. Neben der Vermittlung von aktuellstem und zukunftsweisendem Wissen bietet die ACE eine innovative Lernumgebung mit einem erstklassigen Servicegrad. Bisher wurden über 2.438 Führungskräfte, High-Potentials und Fachleute aus 94 Ländern aus- und weitergebildet.

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