Lasertechnologie: Die Turbulenz und der Kamm

Ausgerechnet chaotische Turbulenzen können dafür sorgen, dass eine besonders regelmäßige Art von Laserlicht entsteht – das bewies ein Forschungsteam mit Beteiligung der TU Wien.

Bild: Second Bay Studios/Harvard SEAS

Es handelt sich um eine ganz besondere Sorte von Licht, mit der man wichtige Messungen durchführen kann: Sogenannte Frequenzkämme spielen in der Laserforschung heute eine große Rolle. Während das Licht eines gewöhnlichen Lasers nur eine einzige, ganz bestimmte Frequenz hat, besteht ein Frequenzkamm aus unterschiedlichen Lichtfrequenzen, die präzise in immer gleichen Abständen angeordnet sind, wie die Zähne eines Kamms.

Solches Frequenzkamm-Licht ist schwer zu erzeugen. Nun gelang es aber einem internationalen Forschungsteam aus Österreich (TU Wien), den USA (Harvard, Yale) und Italien (Mailand, Turin) diese spezielle Sorte von Licht mit Hilfe einfacher kreisrunder Quanten-Kaskadenlaser herzustellen – ein Phänomen, das gängigen Laser-Theorien völlig zu widersprechen schien. Wie sich zeigte, sind ausgerechnet Turbulenzen, wie man sie auch aus der Aerodynamik oder von Wasserwellen kennt, für diese besonders geordnete Art von Licht verantwortlich. Diese Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Nature“ publiziert.

Besser als die Physik erlaubt?

„Eigentlich hatten wir bei unseren Experimenten etwas völlig anderes gesucht“, berichtet Benedikt Schwarz, der an der TU Wien und der Harvard University Frequenzkämme erforscht und 2019 dafür einen ERC Starting Grant erhielt. „Wir untersuchten kreisrunde Quanten-Kaskadenlaser, das ist eine spezielle Art von Lasern, die seit Jahren in unseren Labors am Institut für Festkörperelektronik hergestellt werden. Wir wollten untersuchen, wie sich bestimmte Defekte auf das Laserlicht auswirken.“ Doch die Überraschung war groß, als man feststellte: Man kann diese kreisrunden Mini-Laser auf sehr einfache Weise dazu bringen, Frequenzkämme zu erzeugen, die sich aus mehreren Lichtfrequenzen in immer gleichen Abständen zusammensetzen.
„Das ist für uns großartig, denn exakt nach dieser Art von Licht suchen wir. Nur hatten wir es genau hier nicht erwartet – der Erfolg schien der gängigen Laser-Theorie zu widersprechen“, erklärt Schwarz.

Wenn das Licht eines Lasers aus unterschiedlichen Frequenzen bestehen soll, dann muss es zeitlich variabel sein – allerdings muss dabei eine wiederkehrende Ordnung entstehen. Die Schwingungen des Lichts müssen sich zeitlich immer wieder auf dieselbe Weise periodisch wiederholen. Nur dann entsteht ein Frequenzkamm.

Turbulenz, die für Schwingung sorgt 

„Als wir darüber nachdachten, wie diese Schwingung entstehen könnte, suchten wir nach ähnlichen Phänomenen in anderen Wissenschaftsgebieten. Schließlich stießen wir auf die Turbulenz als treibende Kraft, die auch bei unseren Frequenzkämmen für Schwingung sorgt“, sagt Benedikt Schwarz. Turbulenz ist ein Phänomen, das in vielen ganz unterschiedlichen Bereichen sichtbar wird: Im Rauch, der von einer erloschenen Kerze aufsteigt, sind Turbulenzen erkennbar, die zu chaotischen, unvorhersehbaren Mustern führen. Aber auch bei anderen Arten von Wellenbewegungen stößt man auf sogenannte Welleninstabilitäten. Eine kleine Störung wird immer größer und dominiert irgendwann die Dynamik des Systems. 

Der exakte mathematischen Zusammenhang zwischen solchen Turbulenzen und dem neuartigen Laserlicht ließ sich schließlich durch eine Laser-Theorie finden, die Nikola Opa?ak von der TU Wien erst kürzlich, im November 2019, publiziert hatte: „Wir stellten fest, dass sich diese Laser-Theorie auf dieselbe Gleichung zurückführen lässt, die auch in anderen Wissenschaftsdisziplinen für Turbulenz sorgt“, sagt Schwarz.
 
In einem ringförmigen Laser können Wellen-Instabilitäten dazu führen, dass ein stabiler Frequenzkamm entsteht. Zusätzlich kommt es zu einer starken Verbindung zwischen unterschiedlichen Lichtfrequenzen: Unterschiedliche Frequenzen werden fest aneinander gekoppelt. 

Der Kamm als künstliche Nase

Frequenzkämme spielen hauptsächlich deshalb in der Forschung eine besondere Rolle, weil man mit ihnen winzige chemische Sensoren bauen könnte. Viele Moleküle absorbieren Licht im Infrarotbereich auf ganz charakteristische Weise. Wenn man untersucht, welche Lichtwellenlängen absorbiert werden, kann man feststellen, um welches Molekül es sich handelt. Dafür ist es aber nötig, möglichst viele verschiedene Lichtfrequenzen im Infrarotbereich zur Verfügung zu haben – und genau das liefert ein optischer Frequenzkamm auf ideale Weise.

Originalpublikation

M. Piccardo et al., Frequency combs induced by phase turbulence, Nature 2020:
https://www.nature.com/articles/s41586-020-2386-6

Kontakt

Dr. Benedikt Schwarz
Institut für Festkörperelektronik
Technische Universität Wien
Gußhausstraße 25, 1040 Wien
T 43-1-58801-36214
benedikt.schwarz@tuwien.ac.at

Aussender:
Dr. Florian Aigner
PR und Marketing
Technische Universität Wien
Resselgasse 3, 1040 Wien
T +43-1-58801-41027
florian.aigner@tuwien.ac.at