TU Wien präsentiert vollautomatisches Wasserlabor

Nie wieder Wasserproben holen: An der Technischen Universität Wien wurde ein vollautomatisches Messsystem entwickelt, das energieautark und automatisch Wasserqualität überwacht.

v.l.n.r.: Patrick Zanolin, Andreas Winkelbauer (sitzend), Stefan Winkler

Wien (TU)/Guntramsdorf. - Meist wird die Qualität von Gewässern beurteilt, indem man periodisch entnommene Wasserproben im Labor analysiert. Für kompliziertere Forschungsfragen reicht das allerdings nicht aus, und so wurde nun an der TU Wien ein System entwickelt, das  kontinuierlich und automatisiert die Wasserqualität überwacht – und sich dabei auch noch selbst mit Strom versorgt. An der Schwechat, südlich von Wien, werden die neuentwickelten Messstationen nun eingesetzt. Heute, am 6. April, wurden sie im Rathaus Guntramsdorf offiziell präsentiert.

Technologie im Eigenbau

Ganz bewusst wurde die Entscheidung getroffen, die technologische Entwicklungsarbeit selbst in die Hand zu nehmen, anstatt auf kommerzielle Anbieter zurückzugreifen. „Das hat eine Menge Zeit gekostet, aber die Arbeit hat sich ausgezahlt“, meint Stefan Winkler vom Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der TU Wien. Nun steht ein vielseitiges System zur Verfügung, das eine Fülle von Daten kontinuierlich erfassen kann: Dazu zählen Messgrößen des Gewässers (z. B. die Konzentration von Chemikalien wie Ammonium, Chlorid, TOC etc.), aber auch Messgrößen des Aufstellungsortes (z. B. Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Niederschlag) und der Messstation selbst (z. B. Energieverbrauch und Sonneneinstrahlung).

Energieautarke Messstation

Wenn eine Messstation ohne ständige Wartung direkt beim Gewässer Daten sammeln soll, ist ein Anschluss ans Stromnetz nicht immer einfach. „Unser Plan war daher, energieautarke Messstationen zu bauen“, berichtet Stefan Winkler. Mit Photovoltaik funktioniert das schon – demnächst wird auch noch ein Windgenerator in die Energieversorgung der Station integriert. Der Energieverbrauch der einzelnen Komponenten wird getrennt erfasst, und sollte einmal zu wenig Energie zur Verfügung stehen, können weniger wichtige Komponenten entsprechend einer vorgegebenen Reihung abgeschaltet werden.

Der Computer denkt mit

Ein zentraler Teil des Forschungsprojektes war die Entwicklung der Messnetzsoftware iTUWmon (intelligent information water monitoring networks), die in vielen Bereichen Funktionen bereitstellt, die bei am Markt erhältlichen Lösungen noch nicht verfügbar sind. „Wenn viele Daten erfasst werden müssen, wie etwa in einer Kläranlage, dann ist es kaum möglich, alle Messsonden immer im Auge zu behalten“, erklärt Stefan Winkler. „Dadurch kommt es oft zur Situation, dass Messfehler erst mit großer Zeitverzögerung erkannt werden“. Das Computersystem muss also selbstständig überprüfen, ob die Daten plausibel sind oder ob Messgeräte falsche Werte liefern. Die gemessenen Daten werden sowohl auf den einzelnen Stationen, als auch in einem zentralen Datenarchiv für das gesamte Messnetz abgelegt und von dort aus weiterverteilt. iTUWmon wurde am Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der TU Wien entwickelt – Andreas Winkelbauer und Patrick Zanolin setzen die neuen Konzepte in Software um.In der Realisierung wird besonderer Wert auf nachvollziehbare und stimmige Userinterfaces gelegt. „Die eingängige Mensch-Maschinen-Interaktion ist, nicht zuletzt durch exponentiell wachsendes Datenaufkommen bei zunehmender Komplexität der Computertechnik, wichtiger Bestandteil der Softwareentwicklung“, erläutert Andreas Winkelbauer. „Am Ende des Tages soll Software für uns arbeiten – und nicht umgekehrt“.

Die Schwechat als wichtiger Modell-Fluss

Die neu entwickelten Messstationen, deren Hardware über ein „Innovatives Projekt“ der TU Wien gefördert wurde, kommen nun erstmals in einem Forschungsprojekt für das Lebensministerium an der Schwechat, südlich von Wien, zum Einsatz. Weitere Fördergeber des Projektes sind die Länder Niederösterreich und Steiermark, sowie die Stadt Graz und die Innsbrucker Kommunalbetriebe. Das Projekt wird als wissenschaftliches Verbundprojekt der TU Wien, Universität Innsbruck, Universität für Bodenkultur und TU Graz durchgeführt.Die technische Projektleitung wird durch die TU Wien wahrgenommen.

„Aus wasserwirtschaftlicher Sicht ist das ein besonders interessantes Gewässer“, meint Stefan Winkler. „Wir finden dort sowohl naturbelassenen Auwald als auch dicht verbautes Gebiet – und der Druck des Menschen auf dieses Gebiet wird durch Zersiedelung und Tourismus wohl noch steigen.“ Von detaillierten Langzeituntersuchungen an der Schwechat erwarten sich die Wissenschaftler daher besonders aufschlussreiche Ergebnisse.

Flüsse besser verstehen

Wichtige Impulse erwartet man sich von den Daten für die Entwicklung von mathematischen Modellen der Gewässergüte. Will man theoretisch vorhersagen, wie sich die Niederschlagssituation oder menschliche Eingriffe auf die Wasserqualität auswirken, muss man zunächst die subtilen Zusammenhänge zwischen dem Fluss und seiner Umgebung verstehen lernen. „Zeitlich höher aufgelöste und qualitätsgeprüfte Daten bilden die Basis für neue Entwicklungen und ein vertieftes Systemverständnis“, ist Stefan Winkler zuversichtlich. Die gewonnene Information ist also nicht nur für die Schwechat wichtig, sondern bringt die Wassergütewirtschaft insgesamt wieder ein wichtiges Stück nach vorne.

Energy & Environment ist – neben Computational Science & Engineering, Quantum Physics & Quantum Technologies, Materials & Matter sowie Information & Communication Technology – einer von fünf Forschungsschwerpunkten der Technischen Universität Wien.Geforscht wird an der Erschließung neuer Energiequellen, der Versorgung mit Energie sowie deren Speicherung und effiziente Nutzung. Das technische Know how wird durch Expertise in den Bereichen Klima, Umwelt, Wirtschaft und Rohstoffe erweitert.

Rückfragehinweis:
Stefan WinklerInstitut für Wassergüte,Ressourcenmanagementund Abfallwirtschaft
Technische Universität Wien
Karlsplatz 13, 1040 Wien
Telefon: +43-1-58801-22662
swinkler@iwag.tuwien.ac.at