Wiens smarte Ampeln werden nun noch klüger

Mit höherer Rechenleistung und angepasstem Training der KI kann das an der TU Graz entwickelte System mehrere Fußgängerübergänge gleichzeitig regeln und erkennt Personen mit Mobilitätseinschränkung sowie Kinderwägen. Die Grünphase lässt sich so bedarfsgerecht verlängern.

Eine Fußgängerampel zeigt Grün, im Hintergrund ein Laubbaum und ein Gebäude.

Eine Fußgängerampel in Wien (Symbolbild). Bildquelle: daria_serdtseva - Adobe Stock

Seit 2018 sind 21 intelligente Ampeln in Wien im Einsatz: Sie erkennen, wenn sich Fußgänger*innen einem Übergang nähern und fordern für diese automatisch Grün an. Dadurch verringert sich die Wartezeit zum Teil erheblich. Nun hat ein Team um Horst Possegger vom Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz im Auftrag der Magistratsabteilung 33 der Stadt Wien und in Zusammenarbeit mit der Günther Pichler GmbH die zweite Generation dieser smarten Ampeln entwickelt und an vier Fußgängerübergängen in Wien erfolgreich getestet. Das neue System ist aufgrund besserer Kameraauflösung, höherer Rechenleistung und eines entsprechend trainierten, Deep-Learning-basierten Modells nun in der Lage, Personen mit Mobilitätseinschränkung sowie Kinderwägen zu erkennen. Zudem kann es mehrere Übergänge simultan beobachten und regeln.

Bis zu 300 TeraFLOPS Rechenleistung

Während die smarten Ampeln der ersten Generation im Jahr 2018 eine Rechenleistung von 0,5 TeraFLOPS hatten, liegen die Werte der neuen Geräte zwischen 100 und 300 TeraFLOPS (Anzahl der Gleitkommarechenoperationen pro Sekunde). „Wir können dadurch ein komplexeres und stärkeres Machine-Learning-Modell verwenden, wodurch Personen wesentlich besser und genauer detektiert werden“, sagt Projektleiter Horst Possegger. Durch die höhere Kameraauflösung kann das System auch Personen mit Kinderwägen oder Gehhilfen wie Rollatoren oder Krückstöcken erkennen. „Üblicherweise benötigen Personen mit Mobilitätseinschränkungen länger zum Überqueren der Straße. Unser Ampelsystem detektiert solche Personen sehr zuverlässig, sodass die Grünphase bedarfsgerecht verlängert werden kann“, erläutert Horst Possegger.

Bilder werden innerhalb von 50 Millisekunden gelöscht

Die Kameras werten einen Bereich von rund 30 Quadratmetern im Wartebereich der Verkehrslichtsignalanlage aus, wobei die Bilddaten ausschließlich lokal verarbeitet und innerhalb von 50 Millisekunden gelöscht werden. Lediglich die Zahl der Personen und die Personenkategorien, etwa Informationen zu Mobilitätseinschränkungen, können bei Bedarf dauerhaft dokumentiert werden. Diese Daten können Verkehrsplaner*innen nutzen, um Ampelanlagen in einem größeren Bereich aufeinander abzustimmen oder um die Datengrundlage einer bedarfsoptimierten Neugestaltung der Schaltpläne zu liefern.

Aus Datenschutzgründen erfolgte die Entwicklung des neuen Detektorsystems nicht mit Bildern einer realen Straßensituation, sondern mit Aufnahmen von Versuchen am Campus Inffeldgasse der TU Graz. Dabei filmten die Forschenden Testpersonen in verschiedenen Konstellationen und mit unterschiedlichen Accessoires. Aus den Bewegungsmustern kann das System mit einer Genauigkeit von 99 Prozent richtig vorhersagen, ob eine Person die Straße überqueren möchte. Beim Erkennen von Mobilitätseinschränkungen liegt die Trefferquote – je nach Mobilitätshilfe – bei 85 Prozent und mehr. Ein besonderer Fokus wurde bei der Systemarchitektur auf die Sicherheit gelegt, sodass auch dann eine Grünphase angefordert wird, wenn Mobilitätshilfen oder -einschränkungen nicht richtig erkannt werden. Im „schlimmsten“ Fall wird dann eine Standard-Grünphase geschaltet.

Kontakt:
Horst POSSEGGER
Dipl.-Ing. Dr.techn. BSc
TU Graz | Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen
Tel.: +43 316 873 5033
possegger@tugraz.at