Kunststoffe? Nachhaltig!

Einem sehr kontroversiellen Thema widmete sich die diesjährige Breakout-Session der TU Austria beim Europäischen Forum Alpbach. Unter der Schirmherrschaft der Montanuniversität Leoben beschäftigte man sich mit der Frage, ob Kunststoffe ein nachhaltiger Teil unseres Gesellschaftssystems sind bzw. sein können. Succus – Kunststoffe sind hochwertige Werkstoffe – in der öffentlichen Diskussion und Wahrnehmung werden ihre mannigfaltigen und sinnvollen Einsatzmöglichkeiten, Herstellungsvarianten und das Recycling einfach auf einen Streit um Plastiksackerln im Supermarkt reduziert.

Im derzeitigen öffentlichen Diskurs werden Kunststoffe vielfach verantwortlich für eine nicht nachhaltige Entwicklung und auch für den fortschreitenden Klimawandel gemacht. Daher beschäftigte sich die heurige Breakout-Session ausführlich mit der Entstehung des Materials und seiner Funktion in der Gesellschaft. Darüber hinaus wurde die Rolle des Menschen im Umgang mit dem Material aus systemischer Sicht angesprochen. Referent*innen und Expert*innen aus Wissenschaft und Industrie aus ganz Europa, ermöglichten durch die ausgewogene Präsentation einen ganzheitlichen Blick auf dieses Thema. Eröffnet wurde die Session durch den Rektor der Montanuniversität Leoben und amtierenden Präsidenten der TU Austria, Wilfried Eichlseder.

Der Vortrag von Peter Moser, Vizerektor der Montanuniversität Leoben und Professor für Bergbau, beschäftigte sich mit der Bedeutung von Rohstoffen für unsere Gesellschaft und nachhaltigen Materialsystemen. Anschließend referierte Clemens Holzer, Professor für Kunststoffverarbeitung an der Montanuniversität Leoben, über die Herstellung von Kunststoffen und warum sie aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken sind. Es folgte Prof. Kerstin Kuchta vom Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft der Technischen Universität Hamburg, die einen Einblick in die komplexe Sammlung von Kunststoffen und anderen ähnlichen Systeme gab und welchen Einfluss erfolgreiche Sammelsysteme auf das anschließende Recycling haben. Materialwissenschaftlerin Prof. Kim Ragaert von der Universität Gent erörterte in ihrem Vortrag die technischen Implikationen der Recyclingtechnologie und die - falsche - Vorstellung von der Abbaubarkeit von biobasierten Kunststoffen. Anschließend zeigte Wirtschaftspsychologe Thomas Brudermann von der Universität Graz auf, wie der Werkstoff Kunststoff in der öffentlichen Wahrnehmung verkannt wird, etwa durch psychologische Mechanismen wie Wissensüberschätzung oder vorschnelle Verallgemeinerungen, wodurch ein ganzheitlicher fachlicher Diskurs gar nicht entstehen kann. Sabine Nadherny-Borutin, Lebensmittel- und Biotechnologin von PlasticsEurope referierte über den Kohlenstoffkreislauf und wie wichtig es ist, den Kreislauf zu schließen, um so die Kohlenstoffbasis von Kunststoffen so lange wie möglich zu erhalten und damit den CO2-Ausstoß zu minimieren. Zum Abschluss sprach Harald Bleier, Technology Evangelist von EcoPlus, über unser Kunststoff-Erbe und die Zukunftsaussichten und wie wir unser bisheriges Missmanagement im Recycling am besten beseitigen können.

Trotz Forderungen nach Alternativen oder Ersatz des Materials hat die Breakout-Session deutlich gezeigt, dass Kunststoff ein Material mit hervorragenden Eigenschaften, vielseitig einsatzbar und somit wertvoll für die Gesellschaft ist. In unserer Welt hat Kunststoff eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten, auf die wir in unserer modernen Gesellschaft gar nicht verzichten können, das beste Beispiel dürften dabei High-End-Anwendungen im medizinischen Bereich sein. Es ist daher essentiell, dass unsere Gesellschaft mehr Verantwortung im Umgang mit dem Material übernimmt. Verantwortung übernehmen kann nur der Mensch, der die Schuld an einer unsachgemäßen Entsorgung trägt. Daher sind alle Mitglieder der Gesellschaft, Produzenten, Verbraucher und politische Entscheidungsträger verantwortlich dafür, wie Kunststoff verwendet und entsorgt wird. Im Sinne des 12. Ziels der SDGs „Nachhaltige/r Konsum und Produktion“ ist es an der Zeit, dass wir dafür Lösungen finden, anstatt das Material zu ersetzen.