Wasserstoff-Milliarden für Österreich

TU Austria-Universitäten plädieren für Investitionsschub

Eine Milliarde Euro bis 2024 und eine weitere Milliarde bis 2030: Diese Investitionen braucht es, um die österreichische Wasserstoffstrategie erfolgreich umzusetzen, vorhandene Potenziale zu nutzen und im globalen Wettbewerb den Anschluss nicht zu verlieren.

Die österreichische Bundesregierung hat in ihrem aktuellen Regierungsprogramm eine nationale Wasserstoffstrategie verankert, die wesentlich zum Erreichen der Klimaneutralität bis 2040 beitragen soll. Forschung und Entwicklung grüner Wasserstofftechnologien sollen speziell für den Produktions- und Verkehrsbereich forciert werden, Österreich damit zur Wasserstoffnation Nummer eins machen sowie als internationalen Innovationsführer positionieren.

Politisches Handeln und Technologieförderung gefordert

Während Länder wie etwa Deutschland ihre ambitionierten und richtungsweisenden Wasserstoffprogramme mit den notwendigen finanziellen Mitteln hinterlegt haben, hinkt Österreich bei der Umsetzung hinterher. „Es braucht jetzt das entschlossene Handeln der politischen Entscheidungsträger und den nationalen Schulterschluss mit Industrie und Forschung. Nur so stellen wir sicher, dass Österreich – anders als bei der Batterietechnologie – den Anschluss an die globale Entwicklung dieser grünen Schlüsseltechnologie nicht verliert“, drängt die TU Austria – der Verbund der drei technischen Universitäten Österreichs TU Wien, TU Graz und Montanuniversität Leoben – in Person ihres derzeitigen Präsidenten TU Graz-Rektor Harald Kainz auf einen Finanzplan und nennt konkrete Zahlen für den Zeitraum bis 2024: „500 Millionen Euro benötigt die Industrie für zeitnahe Prozessumstellungen sowie für den Aufbau von Produktionstechnologien, mit denen die notwendige Infrastruktur sichergestellt werden kann. 400 Millionen Euro braucht die industrienahe kooperative Forschung zur Weiterentwicklung und Überführung der Ergebnisse in den Markt. 100 Millionen Euro sollen der Grundlagenforschung in diesem Gebiet zukommen, um die theoretischen Möglichkeiten dieser Technologie voll ausschöpfen zu können und die Co-Finanzierung der europäischen Förderungen auch sicherzustellen.“ Die gleiche Summe sollte dann schließlich auch bis 2030 zur Verfügung stehen.

Wasserstoff-Pionierland Österreich

Dass die Wasserstofftechnologie ein Schlüsselelement beim Erreichen des Klimaneutralitätsziels ist, steht außer Frage. Aufbauend auf den Pionierarbeiten von Professor Karl Kordesch, der bereits in den 1970er-Jahren an der TU Graz mit ersten wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen durch Graz fuhr, leisten österreichische Unternehmen, Forschungsinstitute und Universitäten seit Jahren grundlegende Forschungs- und Entwicklungsarbeit in diesem Feld. Vor allem an den drei TU Austria-Universitäten findet richtungsweisende Wasserstoffforschung mit unterschiedlichen Schwerpunkten statt.

Alle  TU Austria-Universitäten zeigen in Leuchtturmprojekten, wie viel Know-how im Bereich der Wasserstofftechnologien in Österreich vorhanden ist:

So prüft die TU Wien beispielsweise anhand verschiedener Szenarien die technische Machbarkeit zur dezentralen Erzeugung von Wasserstoff aus Biomasse. Und gemeinsam mit der OMV wurde bereits ein Verfahren entwickelt, mit dem grüner Wasserstoff kostengünstig über Erdgasleitungen transportiert werden kann.

Die Montanuniversität Leoben (MUL) fokussiert bei ihren Wasserstoffaktivitäten bis 2030 unter anderem darauf, Konzepte zum Speichern großer Wasserstoff-Mengen zu entwickeln, die Industrie mit großen Mengen an CO2-neutralem und leistbarem Wasserstoff zu versorgen und Industrieprozesse auf die Wasserstoffnutzung umzustellen.

An der TU Graz und ihren Forschungsbeteiligungen beschäftigen sich derzeit rund 160 Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit sicheren, klimafreundlichen Wasserstofftechnologien. An der TU Graz ist seit 2005 mit dem HyCentA auch Österreichs erstes und einziges rein auf Wasserstoff spezialisiertes Forschungszentrum verortet. Dessen Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter Alexander Trattner und sein Team haben gemeinsam mit Partnern der österreichischen Wasserstofflandschaft bisher mehr als 70 Projekte erfolgreich abgeschlossen – darunter Meilensteine wie „die erste österreichische Wasserstofftankstelle, das erste österreichische straßenzugelassene Wasserstofffahrzeug, die erste Power-to-Gas Anlage oder Europas modernster Brennstoffzellenprüfstand“, nennt Trattner einige Beispiele. Die moderne Forschungsinfrastruktur mit Testständen für Elektrolyse, Brennstoffzellensysteme und Hochdruck-Wasserstoff bis 1000 bar ist mit ein Grund, warum die TU Graz mit dem HyCentA zu einer der größten Forschungseinrichtungen dieser Art in Europa avancierte. „Im Herbst 2020 wird die HyCentA-Versuchsanlage um weitere 600 Quadratmeter ausgebaut, um die Wasserstoffforschung in Graz weiter zu stärken“, so Trattner.

(Detaillierte Beschreibungen von beispielhaften Wasserstoff-Projekten finden Sie hier in diesem Dokument. Detailinfos wie die Eigenschaften, die Herstellung und Nutzung von Wasserstoff sowie Infos zur Wasserstoffspeicherung finden sich im HyCentA-Factsheet.)

Die passende Zero-Emission Technologie

Die TU Austria-Universitäten fungieren mit ihren angelagerten Forschungszentren somit als Innovationsanker für die Umsetzung der österreichischen Wasserstoffstrategie. Jetzt müssen die Entwicklungen weitergeführt, beschleunigt sowie die Ergebnisse in den Markt transferiert werden. Weiterverfolgt gehören auch die Ausbildung und Lehre in diesem Fachgebiet. „Vom bestehenden Forschungs-Know-how über die dominierenden Produktionstechnologien bis hin zu den vorhandenen natürlichen Ressourcen: Österreich bietet alle Voraussetzungen, um die Energiewende mit grünem Wasserstoff voranzutreiben. Diese Chance müssen wir alle gemeinsam jetzt ergreifen“, so TU Wien-Rektorin Sabine Seidler, TU Graz-Rektor Harald Kainz und MUL-Rektor Wilfried Eichlseder unisono.   

Studie belegt wirtschaftliches Potenzial

Das wirtschaftliche Potenzial hinter diesen Vorhaben zeigt eine aktuelle Studie des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung: Mit den von den TU Austria-Universitäten vorgeschlagenen Investitionen von zwei Milliarden Euro in Infrastruktur und Forschung könnte das überdurchschnittliche Einkommensniveau in Österreich aufrechterhalten werden. Aus der Infrastrukturkomponente würde eine inländische Bruttowertschöpfung in der Höhe von 630 Millionen Euro erwachsen und aus der Forschungs- und Entwicklungskomponente eine Bruttowertschöpfung von 274 Millionen Euro. Insgesamt würde der Wachstumsimpuls somit 904 Millionen Euro betragen. Damit korrespondiert ein Beschäftigungsvolumen von 13.766 Beschäftigungsjahren, dementsprechend wären rund 1.250 Stellen permanent gesichert bzw. würden geschaffen werden.

„Ein Teil dieser öffentlichen Ausgaben refinanziert sich über das dadurch ausgelöste Steuer- und Abgabenaufkommen in der Höhe von 430 Millionen Euro selbst“, so der Autor der Studie und Leiter des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung Christian Helmenstein, der auch in Aussicht stellt, dass die fiskalische Umwegrentabilität „im Zeitablauf zunehmen wird wenn es gelingt, die österreichische Kompetenz bei Wasserstofftechnologien so weiterzuentwickeln, dass der gegenwärtig noch sehr hohe Importanteil von 52,7 Prozent in der Infrastrukturkomponente verringert werden kann.“ Als Know-how-Träger und zentraler Forschungspartner komme den technischen Universitäten Österreichs hier eine entscheidende Rolle zu.

Aviso: Panel Diskussion beim Europäischen Forum Alpbach

Die Wasserstofftechnologie ist auch Thema bei den heurigen Technologiegesprächen beim Europäischen Forum Alpbach: Im Rahmen der TU Austria Break-Out Session „Hydrogen – a Key Technology for Renewable Energy Systems“ diskutieren internationale und nationale Fachleute am Freitag, 28. August ab 11:30 Uhr über die aktuellen Entwicklungen, Initiativen und Strategien. Infos und Tickets unter https://2020.alpbach.org/