Pilze fressen Pilze

Genomische Untersuchungen an der Technischen Universität (TU) Wien werfen ein neues Licht auf Schimmelpilze – und ermöglichen neue Forschungsansätze für Pflanzenschutz und die Erzeugung von Biotreibstoff.

Trichoderma viride (Wikimedia Commons, Ninjatacoshell, Lizenz: CC 3.0)

Schimmelpilze haben es auch nicht leicht – aber wer ahnt schon, welche spannenden Konkurrenzkämpfe rund um Pflanzenwurzeln oder in fauligem Holz toben? Im Rahmen eines internationalen Großprojektes wurden an der TU Wien drei besonders wichtige Schimmelpilzarten der Gattung Trichoderma genetisch genau untersucht – mit aufsehenerregenden Erkenntnissen: Pilze, deren positive Wirkung auf Pflanzen man bisher einer Symbiose zuschrieb, stellen sich vielmehr als hochtalentierte und opportunistische Parasiten heraus. Die neuen Ergebnisse, die im Fachjournal „Genome Biology“ publiziert wurden, werden in der künftigen Forschung an Biotreibstoffen und Pflanzenschutzmitteln eine wichtige Rolle spielen.

Biologie am Computer

Die Sequenzierung von DNA, die Auflistung des genetischen Codes, ist heute kein technisches Problem mehr. „Um aber aus der riesigen Datensammlung des Pilz-Erbgutes wissenschaftlich interessante Fakten herauszuholen, sind umfangreiche Computeranalysen notwendig“, erklärt Prof. Christian Kubicek. Er führte mit seinem Team vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften der TU Wien die Genom-Analysen durch. Mit Bioinformatik-Methoden lässt sich viel über Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Pilzen, über ihre evolutionäre Entwicklungsgeschichte und über die Natur der im Erbgut kodierten Proteine herausfinden. Die drei untersuchten Trichoderma-Arten gehen schon lange Zeit getrennte Wege: evolutionsbiologisch sind sie voneinander weiter entfernt als wir von Fischen oder Vögeln – doch trotzdem lassen sich noch immer bemerkenswerte Ähnlichkeiten feststellen. Das spricht für ein erstaunlich stabiles Genom.

Parasitismus statt Zusammenarbeit

Drei Spezies der Gattung Trichoderma wurden unter die Lupe genommen: T. reesei ist ein Pilz, der die Fähigkeit besitzt, die Zellulose in Holz abzubauen. Die Enzyme, die er produziert, werden industriell in der Papier- und Textilindustrie und zur Herstellung von Bioethanol verwendet. Zwei weitere Spezies, T. atroviridis und T. virens, sind aus dem Pflanzenschutz bekannt. Sie leben oft in enger Verbindung mit Pflanzen, im Bereich der Wurzeln. Bisher hatte man gedacht, dass sie klassische Symbionten sind: Sie halten schädliche Mikroorganismen fern und können die natürlichen Verteidigungsmechanismen der Pflanze stärken, im Gegenzug nutzen sie z.B. Zuckerlösungen der Pflanze für sich selbst. „Nach Analyse unserer Daten stellt sich das erstaunlicherweise als bloßer Nebeneffekt heraus – es handelt sich nicht um richtige Symbionten“, meint Prof. Christian Kubicek. Den Pilzen geht es vielmehr darum, andere Pilze zu erwischen: Wie sich aus ihren Genen ablesen lässt, sind sie Mycoparasiten – Pilze, die andere Pilze befallen.

Entscheidendes Wissen für weitere Züchtung

Solche Pilz-Parasiten halten sich natürlich gerne dort auf, wo sich besonders viele andere Pilze befallen lassen – zum Beispiel eben im Wurzelwerk von Pflanzen. „Genau wie Löwen, die am Wasserloch warten, weil sich dort die Beutetiere eben auch gerne aufhalten“, wie Prof. Kubicek meint. Die Fähigkeit von T. reesei, Zellulose abzubauen, ist eine evolutionär recht junge Neuerung. „Wenn man an diesen Pilzen forscht und noch bessere Stämme züchten möchte, muss man von nun an unbedingt mitbedenken, dass es sich eigentlich um Mycoparasiten handelt“, betont Prof. Christian Kubicek.

Pilze als Chemiefabriken von morgen

Wenn man über die Genetik der Pilze bescheid weiß ist es viel einfacher, durch gezielte Züchtung zu neuen Pilz-Stämmen zu gelangen, die sich für industrielle Zwecke einsetzen lassen. Wählt man ganz gezielt die Pilze mit den gewünschten genetischen Vorzügen aus, könnten sich besonders umweltfreundliche Pflanzenschutzmittel und wertvolle Enzyme für die Biotreibstoffproduktion gewinnen lassen.

Energy & Environment ist – neben Computational Science & Engineering, Quantum Physics & Quantum Technologies, Materials & Matter sowie Information & CommunicationT echnology – einer von fünf Forschungsschwerpunkten der Technischen Universität Wien. Geforscht wird an der Erschließung neuer Energiequellen, der Versorgung mit Energie sowie deren Speicherung und effiziente Nutzung. Das technische Know how wird durch Expertise inden Bereichen Klima, Umwelt, Wirtschaft und Rohstoffe erweitert.

Rückfragehinweis:
Prof. Christian P. Kubicek
Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften Technische Universität Wien
Getreidemarkt 9, 1060 Wien
Telefon: +43-1-58801-166500
Mobil: +43-664-1840642
peter.kubicek@tuwien.ac.at